Die Leiden des jungen Artikel 13

Die gut gemeinte Direktive zum Urheberrecht wird in Europa zum Streitthema des Jahres. Der Sinn von Artikel 13 und welche unerwünschten Nebenwirkungen er haben könnte.

Selbst Befürworter des Gesetzesvorschlags räumen ein, dass er nicht beabsichtigte Folgen haben könnte. So sagt Axel Voss, ein EU-Parlamentarier der Christlich Demokratischen Union (CDU) Deutschlands, dass: „[…] die Meinungsfreiheit auch mal eingegrenzt wird.“ Dieses Zitat löste große Empörung in sozialen Netzwerken aus. Doch was meint der Politiker damit?

Was ist Artikel 13?

Artikel 13 ist Teil einer Direktive zum Urheberrecht im digitalen Markt. Er schreibt vor, dass Internetanbieter dafür sorgen müssen, dass von Nutzern auf ihre Plattformen hochgeladene Medien das Urheberrecht nicht verletzen. Im Klartext bedeutet das: Internetgiganten wie Google und Facebook müssen alle Fotos, Videos und Audioclips überprüfen, bevor man sie hochladen kann. Was grundsätzlich nach einer guten Idee klingt, hat einen großen Fehler. Artikel 13 schreibt zwar vor, was die Internetanbieter tun müssen, aber wie sie es tun können, dazu leistet die EU keinen Beitrag. Um dieses Gesetz einzuhalten müssten Internetanbieter sogenannte Uploadfilter einsetzen. Das sind Programme, die automatisch alle Inhalte vor dem Hochladen scannen und in diesem Fall auf das Urheberrecht überprüfen. Das Problem dieser Programme ist allerdings, dass sie noch nicht fortgeschritten genug sind. So können sie zum Beispiel nicht erkennen, ob der hochzuladende Inhalt ein satirischer Beitrag ist. Diese wären nämlich vom Urheberrecht ausgenommen. Außerdem könnten vorgesehene Strafen für das Nichteinhalten der Direktive dafür sorgen, dass sehr strenge Uploadfilter eingesetzt werden. Dies würde zusätzlich für nicht rechtmäßig zensierte Inhalte sorgen, da die Fehlerquote dieser Filter höher wäre. Jetzt befürchten viele Nutzer, dass Artikel 13 die Meinungsfreiheit im Internet einschränken wird.

Die Reaktion der Nutzer

Dadurch entstand ein regelrechtes Gefecht auf sozialen Medien, zwischen Nutzern und Politikern. Besonders die CDU, die eine der treibenden Kräfte für die Direktive ist, bekommt im Internet harte Kritik ab. Vermutlich auch deswegen, weil manche Politiker der CDU sich unvorteilhaft auf den sozialen Kanälen äußern. So schrieb Sven Schulze von der CDU auf Twitter: „Jetzt kommen wieder sekündlich Mails zum Thema #uploadfilter & #Artikel13 rein. Mal ganz davon abgesehen, dass diese inhaltlich nicht richtig sind, stammen ALLE von #Gmail Konten. Mensch #google, ich weiß doch das ihr sauer seid, aber habt ihr diese #fake Aktion wirklich nötig?“ Diese Aussage ließ die sozialen Medien explodieren. Eine Bürgerbewegung und deren Mitglieder als „fake“ zu bezeichnen schlug große Wellen. So war das Hashtag #niemehrCDU nach dieser Meldung mehrere Wochen auf Platz eins der meistgenutzten Hashtags. Dass es sich bei den Nutzern nicht um gefälschte Konten handelt, zeigte sich nach den zahlreichen Demonstrationen in Deutschland. Immer gingen mehrere Tausend Menschen gegen die Direktive auf die Straße. Weiter verschärft wurde die Situation durch einen Artikel der EU-Kommission, in dem die Demonstranten als „Mob“ bezeichnet werden. Den aktuellen Höhepunkt erreichte die hitzige Diskussion, als bekannt wurde, dass die CDU sich dafür eingesetzt, die Abstimmung über Artikel 13 vorzuverlegen. Um genau zu sein, wollten sie die Abstimmung in die zweite Märzwoche verlegen. Dies hätte bedeutet, dass sie noch vor den deutschland- und europaweit angekündigten Demonstrationen am 23. März stattgefunden hätte. Nach großen Protesten von Bürgern und Politikern wurde die Abstimmung schlussendlich doch nicht vorverlegt. Sie findet nun wie geplant am 26. März statt.

Eine Partei wird gespalten

Auch innerhalb der CDU gibt es inzwischen Streitigkeiten zum Thema Artikel 13. So spricht sich unter anderem Mathias Hauer, Digitalpolitiker der CDU, gegen die Direktive aus. Auch Bernd Althusmann, Landesvorsitzender der CDU in Niedersachsen, widerspricht der Meinung seiner Partei. Er verweist außerdem darauf, dass sich die CDU, die Christlich-Soziale Union (CSU) und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) im Koalitionsvertrag gegen Uploadfilter ausgesprochen haben. Noch ist nicht genau klar, wie groß die Folgen dieser Diskussion um Artikel 13 sein werden. Jedoch geht man davon aus, dass die Wahlbeteiligung bei der nächsten EU-Parlamentswahl wesentlich höher sein wird. Durch die Diskussionen auf sozialen Medien wurde das Interesse einer großen Menge junger Leute geweckt. Die politische Richtung dieser jungen Leute ist gemischt, aber die überwiegende Mehrheit spricht sich klar gegen die CDU aus.

Wie steht die österreichische Politik zu diesem Thema?

In Österreich wird das Thema Artikel 13 nicht so heiß diskutiert, wie in anderen EU Staaten. Es äußern sich auch keine österreichischen Politiker zu der Direktive. Im EU-Parlament haben die österreichischen Abgeordneten sich im Dezember klar für Artikel 13 ausgesprochen. Außerdem forderten sie eine möglichst rasche Abwicklung des Gesetzesvorschlags. Gleichzeitig lehnten sie Ausschnitte des Gesetzesentwurfs klar ab, wie die faire Vergütung von Urhebern. Diese ist nämlich innerhalb Österreichs nicht sehr streng geregelt, im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedsstaaten. Daraufhin strich die EU zwar nicht die faire Vergütung aus dem Text, änderte allerdings ihre Definition. So wurden Punkte wie proportionale Vergütung, je mehr ein Werk einnimmt desto mehr Geld erhält der Urheber, entweder verwässert oder ganz aus dem Text gestrichen. Einige Kritiker meinen deswegen, dass die Direktive somit ihren eigentlichen Zweck, die Stärkung des Urhebers, verfehlen würde. Stattdessen werden vermutlich am ehesten Großkonzerne, welche den Urhebern oft ihre Rechte abkaufen, die Nutznießer sein. Viele kleiner Künstler haben sich deswegen nun selbst gegen die momentane Fassung von Artikel 13 gestellt.

Was bedeutet das für die Nutzer?

Neben der Diskussion, ob Artikel 13 durchgesetzt werden soll gibt es noch weitere Unklarheiten. Die Folgen, die die Direktive haben könnte, sind nicht eindeutig. So befürchten viele eine beschränkte Meinungsfreiheit auf sozialen Medien. Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass sich manche Internetanbieter ganz aus der EU zurückziehen. Vor allem die Videoplattform „Youtube“ setzt sich stark gegen Artikel 13 ein. Youtube befürchtet, dass hauptsächlich kleinere Youtubekanäle, also Privatpersonen, die regelmäßig Videos auf die Plattform hochladen, unter der Direktive leiden könnten. Die größeren Kanäle haben nämlich bereits Verträge mit Großkonzernen, die ihnen die Möglichkeit geben, deren Werke zu nutzen. Youtube möchte Artikel 13 nicht unterstützen und hat selbst auf ihrer Seite davor gewarnt, dass es sie vielleicht bald nicht mehr in EU-Ländern geben wird.

Was wirklich passieren wird, kann man erst nach der Abstimmung am 26. März sagen. Klar ist, dass wenn die aktuell geplante Direktive zum Urheberrecht im digitalen Markt angewendet wird, sich unsere gewohnte Medienlandschaft im Internet stark verändern wird.

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